Journalisten beschwören gern das Bild von den Datenkraken Google und Facebook. Im Digitalen aber spionieren Verlage ihre eigenen Leser aus. Möglich machen das kleine Programmschnipsel, die in die Internetseiten von diversen Nachrichtenportalen eingebettet sind: sogenannte Tracker. Von vielen unbemerkt werden sie beim Seitenaufruf mitgeladen und beobachten still im Hintergrund.
Warum beobachten Verlage und Werbekunden ihre Leser?
Anzeigenkunden wollen natürlich, dass diejenigen ihre Werbung sehen, die ihre Produkte am Ende auch sehr wahrscheinlich kaufen. Hat sich ein Nutzer etwa in einem Online-Shop für ein bestimmtes Sofa oder ein Paar neue Schuhe interessiert, aber nicht gleich bestellt, dann versucht die Werbeindustrie, dem Nutzer das Produkt auf anderen Seiten noch einmal schmackhaft zu machen.
Zusätzlich können Werbetreibende erfahren, wie häufig und bei welcher Gelegenheit ein Nutzer eine Anzeige gesehen hat und wann er letztlich zuschlägt. Werbung soll eben besser „funktionieren”.
Verlage wiederum wollen etwas über das Leserverhalten erfahren: Für welche Themen interessieren sich die Leser? Lesen sie auch lange Texte, sprich: Scrollen sie auch bis zum unteren Ende eines Artikels hinunter? Immer mehr Verlage verlangen zudem für ihre Online-Ausgaben Geld. Meistens sind dabei zehn bis 20 Texte im Monat frei. Wer mehr will, muss ein Abonnement lösen.
![Leserbeobachtung, visualisiert. (Screenshot: NDR)](http://danielbroeckerhoff.de/wp-content/uploads/2014/10/bildschirmfoto-2014-10-11-um-22.09.57-1048x564.png)
Leserbeobachtung, visualisiert. (Screenshot: NDR)
Damit dieses Modell funktioniert, müssen die Verlage aber wiederum erfassen, welche Leser wie viele Texte gelesen haben. Und um die Abo-Angebote zu optimieren, etwa für die passende Regionalausgabe oder ein Sportabo, interessiert immer mehr Verlage auch, welche Ressorts einzelne Leser ansteuern.
Wie machen Verlage das?
Beim Surfen beobachtet werden Leser über sogenannte Tracker. Das sind Mini-Programme, die sich im Quellcode einer Webseite verstecken und meist völlig unbemerkt im Hintergrund mit dem eigentlichen Inhalt geladen werden.
Die Tracker erkennen Nutzer wiederum meist über sogenannte Cookies wieder – kleine Dateien, die auf dem Gerät gespeichert werden, in aller Regel mit einer zufällig generierten ID, die zunächst keine Rückschlüsse auf die wahre Identität eines Nutzers zulässt, sondern lediglich den Rechner markiert.
Wie erfahre ich, welche Tracker mich gerade beobachten?
Zum einen listen Webseitenbetreiber in ihren Datenschutzerklärungen auf, welche Tracker ihre Nutzer beobachten und welche Daten die Tracker grundsätzlich sammeln. Die Liste der Werbe-Tracker haben Verlage inzwischen häufig ausgelagert. Sie findet sich oft unter dem Punkt „Nutzungsbasierte Onlinewerbung” – wie die Erklärungen zum Datenschutz ist sie meist ganz am Ende einer Webseite verlinkt.
Zum anderen können Nutzer ihre Internet-Browser mit sogenannten Plug-Ins erweitern: Das sind kleine, meist völlig kostenfreien Programme, die die Funktionalität des Browsers ergänzen. So zeigt unter anderem das Plug-In Ghostery Nutzern, welche Tracker ihr Surfverhalten erfassen.
Wie können sich Nutzer der Leser-Beobachtung entziehen?
Wer nicht möchte, dass die Betreiber von Internetseiten oder die Werbeindustrie seinen Internet-Alltag erfassen, der kann sich dagegen wehren. Eine Möglichkeit, die nicht zuletzt das deutsche Datenschutzrecht vorschreibt, sind sogenannte Opt-Outs: Nutzer können Trackern mitteilen, dass sie und ihre Geräte nicht beim Surfen beobachtet werden wollen.
Das funktioniert meistens so, dass ein „Anti-Tracking”-Cookie auf dem Rechner hinterlegt wird – ein Cookie, das Trackern sagt: setze für dich kein Cookie. Die Datenschutzerklärungen der Seitenbetreiber, also der Verlage, verlinken die Seiten, auf denen Nutzer einen Opt-Out auslösen können.
Außerdem bieten einige übergeordnete Seiten zentrale Opt-Outs an, etwa „Your Online Choices” und „Network Advertising„. Diesen Vorgang müssen Nutzer allerdings für jeden Browser wiederholen.
Eine weitere Möglichkeit für Nutzer ist, den eigenen Browser um ein Plug-In zu erweitern, das Trackern den Zugriff auf das eigene System verwehrt. Welche Tracker unterbunden werden sollen, können Nutzer hier frei entscheiden.
Das Firefox-Plug-In Lightbeam bietet diese Möglichkeit ebenso wie Ghostery, das für verschiedenste Browser zu haben ist, neben Firefox unter anderem auch für Safari und Chrome. Auf den Webseiten der Plug-In-Betreiber finden sich Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Installation. Bei Ghostery sollte das Sammeln von anonymisierten Daten selbstverständlich ausgeschaltet werden.
Außerdem können Nutzer in den Einstellungen ihrer Browser das Tracking eindämmen. Große Online-Dienste wie Google, Microsoft und Yahoo, aber auch ihre Werbetöchter haben sich darauf geeinigt, dass Nutzer über eine Browser-Einstellung ein „Do not track me”-Signal aussenden dürfen, also dass sie nicht beobachtet werden wollen.
Darüber hinaus können Nutzer ihren Browsern auch beibringen, keine „Third Party Cookies” anzulegen – kleine Dateien, die nicht zuletzt Tracker als Identitätsstempel hinterlegen. Ebenso lassen sich Browser so konfigurieren, dass sie immer dann alle Cookies löschen, wenn der Nutzer das Programm schließt.
All diese Einstellungen müssen Nutzer aber suchen. Bei Chrome, Googles eigenem Browser, finden sie sich – Überraschung! – gut versteckt in den „Erweiterten Einstellungen” – dann unter „Datenschutz”, „Inhaltseinstellungen”.
Hinweis in eigener Sache
Auch ich setze zu statistischen Zwecken zwei Tracker ein. So werden Informationen über die Nutzung mit Hilfe des Jetset-Plugins von WordPress und der Open Source-Software Piwik in anonymisierter Form gesammelt und gespeichert. Diese Daten werden mithilfe von Cookies auf dem Computer gespeichert und erlauben es, in anonymisierter Form die Nutzung der Website zu analysieren. In keinem Fall können dabei die gewonnenen Daten dazu verwendet werden, den Besucher dieser Webseite persönlich zu identifizieren.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Zapp.